Krankenhaus-Report 2013

Mengendynamik: mehr Menge, mehr Nutzen?

In den deutschen Krankenhäusern zeigt sich seit Jahren ein starker Fallzahlanstieg. Die Demografie ist dabei nur eine Ursache dieser Entwicklung. Zahlreiche weitere Aspekte sind wirksam, nicht zuletzt der ordnungspolitische Rahmen, innerhalb dessen die stationäre Versorgung sich bewegt und der spezifische Anreize setzt. Vor diesem Hintergrund steht die Mengenentwicklung stellvertretend für die Frage nach der Ausgestaltung der Krankenhausversorgung in Deutschland, ihrer Verlässlichkeit und Qualität und ihrer Ausrichtung am Patientenwohl.

Inhaltsverzeichnis

Teil I Schwerpunktthema: Mengendynamik – mehr Menge, mehr Nutzen?

Zehn Jahre DRG-System in Deutschland – Theoretische Anreizwirkungen und empirische Evidenz

Antonius Reifferscheid, Dominik Thomas und Jürgen Wasem

Seit nunmehr zehn Jahren erfolgt in Deutschland die Vergütung des stationären Leistungsgeschehens über DRG-Fallpauschalen. Die Krankenhäuser tragen unter DRG-Bedingungen die Kostenverantwortung für die Leistungserstellung und müssen verstärkt auf wirtschaftliche Aspekte achten. Es ist daher anzunehmen, dass die verschiedenen monetären Anreize der DRG-Vergütungssystematik sich maßgeblich auf die Entscheidungen des Krankenhausmanagements auswirken. Zehn Jahre nach DRG-Einführung ist es daher hoch interessant, sich differenziert mit den systemimmanenten Anreizwirkungen des DRG-Systems und deren tatsächlichen Auswirkungen in der Krankenhauslandschaft auseinanderzusetzen. Der Beitrag stellt auf einer theoretischen Ebene systematisch die Anreizwirkungen des DRG-Vergütungssystems dar und analysiert diese anschließend anhand vorliegender empirischer Befunde.

Eckdaten der Leistungsentwicklung im Krankenhausmarkt 2011

Carina Mostert, Gregor Leclerque und Jörg Friedrich

Im Ergebnis sind die Krankenhausbudgets der hier untersuchten 1.446 Krankenhäuser ausgleichsbereinigt um 2,9 Prozent gestiegen, was einem Mittelzuwachs von knapp über 1,5 Milliarden Euro entspricht. Dabei ist die vereinbarte Mengenveränderung mit einem Plus von 2,9 Prozent der entscheidende Faktor für die Budgetentwicklung 2011. Diese Mengenentwicklung wird deutlich von dem Effekt aus um 2,1 Prozent steigende Fallzahlen bedingt, während die Veränderung der Leistungsstruktur hin zu höherpreisigen Krankenhausleistungen nur 0,8 Prozent der Budgetentwicklung erklärt. In den Jahren 2009 und 2010 war die Budgetveränderung deutscher Krankenhäuser noch maßgeblich von der Aufstockung des Finanzierungsvolumens aus dem Krankenhausfinanzierungsreformgesetz (KHRG) dominiert. Ohne diese Sondereffekte der Vorjahre ist der Einfluss des Preisfaktors auf die Krankenhausbudgets 2011 quasi neutral, was unter anderem auf die Wiedereinführung des Abschlags für vereinbarte Mehrmengen zurückzuführen ist.

Entwicklung der Leistungen für hochbetagte Patienten

Saskia Drösler und Maria Weyermann

Auf der Basis der jährlich durch das Statistische Bundesamt herausgegebenen Prozedurenstatistiken werden die Entwicklungen der im Krankenhaus erbrachten Leistungen über die Jahre 2005 bis 2010 analysiert und mögliche Ursachen der Entwicklung diskutiert. Sowohl für die Altersgruppe der hochbetagten Patienten mit einem Alter ab 75 Jahren als auch für jüngere Altersgruppen sind meist gleichläufige Mengenentwicklungen zu finden. Jedoch zeigen Operationen wie Eingriffe an der Wirbelsäule, Komplexbehandlungen bei Schlaganfall oder bei Infektionen mit multiresistenten Keimen oder insbesondere der minimalinvasive Herzklappenersatz bei Hochbetagten einen stärkeren bevölkerungsbezogenen Zuwachs als in den anderen Altersgruppen. Durch demografische Effekte allein lassen sich die zu beobachtenden Mengeneffekte nicht erklären. Es müssen auch Dokumentationseffekte, Auswirkungen des Abrechnungssystems, der medizinische Fortschritt und veränderte Therapieregimes betrachtet werden.

Demografie und Morbiditätsentwicklung

Gerald Lux, Philipp Steinbach, Jürgen Wasem, Lennart Weegen und Anke Walendzik

Der demografische Wandel sorgt für ein sich veränderndes Krankheitsspektrum in Deutschland bis zum Jahr 2030. Die erstellten Prognosen auf einem Datensatz des Jahres 2008 von mehr als drei Millionen Versicherten einer bundesweit tätigen Krankenkassen unter Verwendung von Bevölkerungsvorausberechnungen des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass insbesondere kardiale Erkrankungen, bösartige Neubildungen, Diabetes mellitus und Demenz aufgrund der Prävalenzentwicklungen einen wesentlichen Einfluss auf die zukünftige Krankheitslast ausüben werden, wobei die Demenz mit 48,1 Prozent den stärksten relativen Prävalenzanstieg bis 2030 aufweist. Auch die stationäre Versorgung wird für diese Krankheitsbilder, aber auch insgesamt steigende Fallzahlen allein aufgrund des demografischen Wandels zu erwarten haben – so weisen die Krankenhausfallzahlen je Versicherten in Abhängigkeit des gewählten Bevölkerungsprognose- Szenarios durchschnittliche jährliche Anstiege zwischen 0,54 Prozent und 0,69 Prozent auf. Sollte sich der Trend der vergangenen Jahre mit steigenden altersklassenspezifischen Hospitalisierungsquoten weiter fortsetzen, würden die Fallzahl-Prognosen sogar noch höher ausfallen.

Mengensteigerungen in der stationären Versorgung: Wo liegt die Ursache?

Markus Lüngen und Guido Büscher

Der Beitrag untersucht, welche Einflussfaktoren es auf die (mit den Krankenkassen vereinbarten) Mengensteigerungen in Krankenhäusern gibt. Eingesetzte Faktoren sind bspw. die Anzahl der Betten, die Trägerschaft oder die Lage eines Krankenhauses in der Region. Zwar konnten einige Variablen identifiziert werden, die einen Einfluss auf die vereinbarten Mengensteigerungen haben, jedoch bleibt die Erklärungskraft eines solchen Modells gering. Die oft diskutierte Vermutung, dass sich insbesondere Krankenhäuser der Maximalversorgung und Spezialkliniken mit Fallzahlsteigerungen refinanzieren müssen, sollte gemäß unseren Ergebnissen hinterfragt werden. Vielmehr scheinen nahezu alle Krankenhäuser an einer Ausweitung der Fallzahl interessiert. Daher sollten sich auch Maßnahmen zur Reduzierung von Fallzahlsteigerungen eher auf den gesamten stationären Sektor richten und nicht nur einzelne Untergruppen adressieren.

Die Mengenentwicklung in der stationären Versorgung und Erklärungsansätze

Stefan Felder, Roman Mennicken und Stefan Meyer

Dieser Beitrag geht den Gründen für das starke Wachstum der Fallzahlen, das sich durch die demografische Entwicklung bei Weitem nicht erklären lässt, im stationären Bereich der medizinischen Versorgung nach. Grundlage der empirischen Untersuchung sind alle im Zeitraum 2006 bis 2010 in Deutschland abgerechneten Fälle. Ein gewinnmaximierender Anbieter richtet seine Mengenentscheidung nach der Höhe des Preises: je höher der Preis, desto höher die angebotene Menge. Dieser Zusammenhang bestätigt sich auch im deutschen Krankenhausbereich. Häuser mit einem höheren Basisfallwert behandeln, ceteris paribus, mehr Patienten; die Preiselastizität beträgt 0,54. Dieses Ergebnis widerspricht fundamental dem viel beschworenen „Hamsterrad“-Effekt. Auf der Ebene der DRGs finden wir einen signifikant positiven Zusammenhang zwischen der Leistungsmenge und dem Deckungsbeitrag. Bei DRGs mit variablen Durchschnittskosten deutlich unterhalb der gesamten Durchschnittskosten ist das Mengenwachstum größer als bei DRGs mit geringem Deckungsbeitrag. Dieses Ergebnis weist ebenfalls darauf hin, dass sich Krankenhäuser gewinnmaximierend verhalten.

Trends und regionale Unterschiede in der Inanspruchnahme von Wirbelsäulenoperationen

Torsten Schäfer, Ron Pritzkuleit, Franziska Hannemann, Klaus-Peter Günther, Jürgen Malzahn, Fritz Niethard und Rüdiger Krauspe

Wirbelsäulenoperationen sind Bestandteil der Routineversorgung in Deutschland. Neue perationsmethoden und eine Ausweitung des operativen Spektrums führten unter anderem zu einer Zunahme von Wirbelsäulenoperationen in den letzten Jahren. Ein Schwerpunkt der Versorgungsforschung ist die Analyse regionaler Unterschiede von Operationshäufigkeiten, die Hinweise auf eine mögliche Überversorgung geben können. Ziel dieser Untersuchung war es, geografische Versorgungsunterschiede von Wirbelsäulenoperationen in Deutschland anhand einer Kohorte gesetzlich Versicherter darzustellen. Insgesamt wurden für die Jahre 2005 bis 2010 1.756.739 Fälle stationär versorgter AOK-Versicherter ausgewertet. Die Definition der operativen Eingriffe an der Wirbelsäule erfolgte anhand von OPS (Operationen und Prozedurenschlüssel)-Codes. Es wurden sowohl rohe als auch altersstandardisierte Eingriffsraten berechnet.

Mengenentwicklung und deren Determinanten in ausgewählten Bereichen der Kardiologie

Torsten Fürstenberg und Guido Schiffhorst

Der vorliegende Beitrag untersucht Veränderungen des Leistungsgeschehens im Bereich der kardiovaskulären stationären Versorgung mit dem Schwerpunkt auf Defibrillatorimplantationen sowie deren möglichen Ursachen, basierend auf der fallpauschalenbezogenen Krankenhausstatistik. Die Zahl der Defibrillatorimplantationen und -wechsel hat im Zeitraum 2008 bis 2010 deutlich um 25 Prozent zugenommen. Besonders starke Zunahmen zeigen sich bei den 80- bis 84-Jährigen von 441 auf 712 Implantationen je eine Million Einwohner. Zudem ist ein deutlicher Trend zu einer Versorgung mit komplexeren Systemen zu beobachten.

Regionale Variationen der Defibrillator-Erstimplantationsraten sind 2010 deutlich ausgeprägt und schwanken auch nach einer Bereinigung um Alterseinflüsse zwischen 202 und 807 Implantationen je eine Million Einwohner. Anhand eines linearen Regressionsmodells wurde unter anderem der Einfluss der regionalen Versorgungsstruktur und der Wettbewerbssituation auf die Veränderungen der Implantationszahlen bestimmt. Insgesamt ist die Erklärungskraft dieser Einflussgrößen zwar gering, dennoch zeigt sich deutlich, dass die Mengenentwicklung primär von neu auf dem Markt agierenden Krankenhäusern beziehungsweise Mengensteigerungen bei Krankenhäusern mit einer geringen Leistungsmenge getrieben wird.

Unter Berücksichtigung des mittelfristigen Trends und internationaler Erfahrungen ist auch unabhängig von der demografischen Entwicklung von weiter zunehmenden Primärimplantationszahlen auszugehen. Zudem ist bei begrenzter Batterielebensdauer der Defibrillatoren auch eine deutliche Zunahme der Defibrillatorwechsel zu erwarten, für die entsprechende Ressourcen bereitgestellt werden müssen, um eine Anschlussversorgung sicherzustellen.

Aufgrund der hohen ökonomischen und therapeutischen Bedeutung der Defibrillatorimplantationen sollten die regionalen Variationen und die Mengenentwicklung hinsichtlich der möglichen Ursachen in der Interpretation von Leitlinien, indikationsspezifischer Unterschiede und möglicherweise bestehender Budgetrestriktionen weiter untersucht werden.

Innovationen im Krankenhaus: Mengenentwicklung versus Nutzenbewertung

Matthias Dettloff, Uwe Klein-Hitpaß und Mechtild Schmedders

Medizinische Innovationen gelangen über mehrere Wege in die Krankenhausvergütung. Der Artikel fokussiert auf die sogenannten neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) und deren Mengenentwicklung. Er gibt einen Überblick über das NUB-Verfahren seit seiner Implementierung und über seine Bedeutung für die Patientenversorgung. Am Beispiel des kathetergestützten Aortenklappenersatzes wird erörtert, dass eine systematische Bewertung des medizinischen Nutzens von Innovationen vor deren flächendeckender Anwendung aus Gründen der Patientensicherheit notwendig ist. Bislang fehlt in Deutschland ein solches Instrument.

Mengensteuerung über das G-DRG-Preissystem

Boris Augurzky, Stefan Felder und Jürgen Wasem

Der Krankenhausbereich ist durch eine starke Mengendynamik geprägt, die offenbar auch durch fehlgeleitete finanzielle Anreize im Vergütungssystem zu erklären ist. Nach fast zehn Jahren DRGs stellt sich daher die Frage nach einer Neuadjustierung des Systems. In diesem Beitrag diskutieren wir ausgewählte Mengensteuerungsinstrumente. Selektivvertragliche Lösungen könnten die Mengendynamik zwar wirkungsvoll bremsen; falls die Politik aber beabsichtigt, im kollektivvertraglichen Rahmen zu bleiben, schlagen wir ein System vor, bei dem mit den Rechten zur Abrechnung von DRG-Punktwerten gegenüber Krankenversicherungen gehandelt wird. Diese Zertifikate würden den Krankenhäusern von einer zu diesem Zweck einzurichtenden Bundesagentur zugeteilt und könnten zwischen den Häusern zu einem sich einspielenden Preis getauscht werden.

Hohe Leistungsmengen – Direktverträge und Rechtehandel als Lösungen für den Krankenhausbereich

Matthias Mohrmann und Volker Koch

In Deutschland werden zu hohe Leistungsmengen erbracht. Dabei gibt es Indizien dafür, dass die Qualität der Behandlung eher mittelmäßig ist. Das Versorgungsniveau des deutschen Gesundheitswesens lässt sich in Zukunft ohne durchgreifende Reformen weder finanzieren noch in seinem Niveau aufrechterhalten. Der Reformdruck ist groß. Die „Hypertrophie der Mengen“ spiegelt sich im Sektor Krankenhaus – Deutschland ist bei vielen Behandlungen „Weltmeister“ und die Dynamik der Mengenentwicklung liegt regelmäßig über dem, was aufgrund von Demografie und medizinischem Fortschritt zu erwarten ist. Das monetäre Anreizsystem setzt die falschen Akzente. Die Krankenhausfinanzierung steht spätestens in der nächsten Legislaturperiode wieder auf der Agenda der Bundespolitik. Gesucht sind alternative Steuerungs- und Finanzierungskonzepte. Die Autoren schlagen als ordnungspolitische Lösungsoptionen für den Krankenhausbereich den „Direktvertrag – das selektive Kontrahieren“ sowie als neue Idee den „Rechtehandel – Transfer von Casemix“ zur Diskussion.

Die ärztliche Zweitmeinung bei der Therapiewahl

Max Geraedts

Ärztlichen Zweitmeinungssystemen wird eine Schlüsselrolle bei der Eindämmung der Mengendynamik potenziell nicht angemessener Operationen eingeräumt. Zwar sieht das Sozialgesetzbuch die Einführung solcher Systeme bereits seit 1989 vor, jedoch existieren bisher nur einzelne freiwillige, zumeist regional begrenzte Projekte in Deutschland, zu denen valide Evaluationen fehlen. Trotz mittlerweile 40-jähriger Erfahrung mit obligatorischen Zweitmeinungssystemen in den USA fehlen aber auch zu diesen Systemen definitive Aussagen zu deren Wert. Studien deuten zumindest darauf hin, dass Zweitmeinungssysteme elektive Operationen bei einem positiven Kosten-Nutzen-Verhältnis reduzieren können. Ob solche Effekte auch im deutschen Versorgungskontext erzielbar sind, sollte auf der Basis aussagekräftiger Studiendesigns erprobt werden, bevor Zweitmeinungssysteme in Deutschland breit implementiert werden.

Von der Mengenorientierung zur qualitätsorientierten Kapazitätssteuerung

Jürgen Malzahn und Christian Wehner

Die Ausgabenentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung für Krankenhausbehandlung ist primär mengengetrieben. Verschiedene Studien belegen, dass dies allein durch die Morbiditätsentwicklung nicht erklärt werden kann. Die Mengendynamik in den Krankenhäusern ist allerdings als Symptom verschiedener Rahmenbedingungen zu sehen. Zum einen ist es den Ländern bisher nicht gelungen, die Kapazitäten bedarfsgerecht anzupassen, stattdessen kommen sie ihrer Verpflichtung zur Finanzierung der Investitionskosten immer weniger nach. Zum anderen besteht eine systemimmanente Anfälligkeit des leistungs(mengen)orientierten DRG-Systems zur Mengenausweitung. In vielen Fällen könnten stationäre Leistungen ambulant erbracht werden. Letztlich führt kein Weg daran vorbei, bei der vorrangig preislich und mengengesteuerten Vergütung endlich auch der Qualität eine entscheidende Rolle zukommen zu lassen. Vor diesem Hintergrund skizziert der Beitrag ein integriertes Konzept zur qualitätsorientierten Kapazitätssteuerung, das auf drei Ebenen ansetzt:

1. Die qualitätsorientierte Krankenhausplanung erhöht den Auslastungsgrad der Krankenhäuser von derzeit rund 77 Prozent auf Werte zwischen 85 Prozent und 90 Prozent. Dieses Ziel kann auch unter Nutzung von Direktvertragsoptionen erreicht werden.

2. Vollstationäre Leistungen werden systematisch auf ihr ambulantes Potenzial geprüft. Geeignete Leistungen werden unter Qualitätsgesichtspunkten aus den vollstationären Budgets ausgegliedert. Die frei werdenden Kapazitäten werden reduziert und die ausgegliederten Leistungen mittels Verträgen an Krankenhäuser und Vertragsärzte vergeben.

3. Die qualitätsorientierte Indikationsstellung stellt sicher, dass mengensensitive Leistungen nur dann erbracht werden können, wenn die Indikationen im Einzelfall nachgewiesen werden. In diesem Kontext sind beispielsweise Zweitmeinungsverfahren heranzuziehen. Ein solches Vorgehen hat zum Ziel, Strukturen von Krankenhäusern zu verbessern, medizinische Leistungserbringung nach dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ zu stärken und medizinisch nicht erforderliche Leistungsmengen in der vollstationären Versorgung zu vermeiden. Als Mittel zur Umsetzung dienen Qualitätsmaßstäbe, sodass Patientenschutz und Patientensicherheit einen höheren Stellenwert erhalten.

Teil II Zur Diskussion

Überdiagnose und Übertherapie des Prostata-Karzinoms – ein unterschätztes Problem

Bernt-Peter Robra, Enno Swart und David Klemperer

Die Früherkennung einer Krankheit ist sinnvoll, wenn die Vorverlagerung des Behandlungsbeginns zu einer Senkung der Mortalität und möglichst auch der Morbidität führt. Die derzeitige Evidenzlage zu den Auswirkungen der Früherkennung des Prostatakarzinoms belegt keine oder eine nur geringe Senkung der Mortalität, jedoch eine starke Erhöhung der Morbidität. Eine gravierende Folge der Früherkennung des Prostatakarzinoms sind Überdiagnose und Übertherapie, das heißt das Aufdecken und Behandeln von Erkrankungen, die zu Lebzeiten der Betroffenen nicht symptomatisch geworden wären. Bei dieser Nutzen-Schaden Bilanz stellt sich die Frage nach der ethischen Vertretbarkeit dieser Früherkennung. In jedem Fall sollten Männer nicht aktiv zur Früherkennung des Prostatakarzinoms ermuntert werden. Wenn sie den Test dennoch in Anspruch nehmen wollen, sollten sie umfassend und unter Zuhilfenahme einer strukturierten Entscheidungshilfe über das Vorgehen, die bestenfalls geringe Nutzenwahrscheinlichkeit und das gesicherte Wissen um die Schadensrisiken informiert werden. Offen ist die Frage, ob es Hochrisikogruppen gibt, für die sich ein günstigeres Verhältnis von Nutzenwahrscheinlichkeiten und Schadensrisiken ergibt.

Qualitätsindikatoren für Koronarangiographie – Sektorenübergreifende Qualitätsmessung auf der Basis von Routinedaten

Elke Jeschke und Christian Günster

Im vorliegendem Beitrag wird ein Qualitätsmessverfahren für Koronarangiographie auf der Basis von Routinedaten vorgestellt. Es handelt sich um eine einrichtungs- und sektorenübergreifende Betrachtung unter Berücksichtigung stationärer und poststationärer Ereignisse. Zunächst wurden fünf Ergebnisindikatoren definiert. Um eine statistisch verlässliche Qualitätsmessung zu erhalten und eine breitere, umfassende Abbildung der Ergebnisqualität in einer Kennzahl zu ermöglichen, wurden diese dann zu einem Qualitätsindex zusammengefasst. Hinsichtlich aller Indikatoren zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den Kliniken. Fast zwei Drittel aller Ereignisse waren poststationär, sodass es wichtig erscheint, diese Ereignisse in eine Qualitätsmessung einzubeziehen. Neben den Ergebnisindikatoren wurde zusätzlich das Verhältnis von Koronarangiographie zu PCI als Indikator bezüglich der Indikationsstellung abgebildet. Erste Analysen zeigen für die Jahre 2007 bis 2009 eine leicht sinkende Interventionsrate.

Medizinprodukte im Krankenhaus

Monika Lelgemann, Sigrun Most-Ehrlein und Ravi Johannes Pazhur

Medizinprodukte spielen in Diagnostik und Therapie heute eine immer größer werdende Rolle. Insbesondere für Medizinprodukte höherer Risikoklassen wird in Zweifel gezogen, dass die geltenden Regularien für die Marktzulassung Patienten ausreichend vor potenziellen Schadwirkungen schützen. Auch das SGB V enthält keine Vorgaben hinsichtlich einer Nutzenbewertung als Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit, Medizinprodukte werden hier unter Neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gefasst. Für beide Bereiche, Zulassung und Nutzenbewertung vor Kostenerstattung, wird ein erheblicher Verbesserungsbedarf hinsichtlich der Vorgaben, ihrer Umsetzung und insbesondere der Transparenz aller Prozesse und Entscheidungen identifiziert.

Teil III Krankenhauspolitische Chronik

Krankenhauspolitische Chronik

Dirk Bürger und Christian Wehner

Teil IV Daten und Analysen

Statistische Krankenhausdaten: Grund- und Kostendaten der Krankenhäuser 2010

Ute Bölt

Dieser Beitrag fasst die Ergebnisse der Krankenhausstatistik zu den Grund- und Kostendaten der Krankenhäuser für das Berichtsjahr 2010 zusammen. Er gibt einen Überblick über die sachlichen und personellen Ressourcen (zum Beispiel Betten, Fachabteilungen, Personal) sowie die Inanspruchnahme von Krankenhausleistungen (Patientenbewegungen) und beziffert die Aufwendungen für Personal- und Sachkosten. Die Krankenhausstatistik ist eine seit 1991 bundeseinheitlich durchgeführte jährliche Vollerhebung. Auskunftspflichtig sind die Träger der Krankenhäuser. Die Diagnosedaten der Krankenhauspatienten werden wie die fallpauschalenbezogene Krankenhausstatistik (DRG-Statistik) jeweils in einem gesonderten Beitrag behandelt (siehe Kapitel 19 und 20).

Statistische Krankenhausdaten: Diagnosedaten der Krankenhauspatienten 2010

Torsten Schelhase

Die Diagnosen der Krankenhauspatienten bilden das gesamte vollstationäre Geschehen in den deutschen Krankenhäusern ab. Dieser Beitrag beschreibt die Ergebnisse der Diagnosedaten der Krankenhauspatienten für das Jahr 2010. Diese amtliche Statistik wird seit 1993 jährlich als Vollerhebung durchgeführt. Alle Krankenhäuser in Deutschland sind auskunftspflichtig. Erfasst werden alle Patienten, die im Berichtsjahr aus der vollstationären Behandlung eines Krankenhauses entlassen werden. Im Jahr 2010 waren dies knapp 18,5 Millionen Patienten, damit ist die Fallzahl im Vorjahresvergleich erneut angestiegen. Die Ergebnisse der Diagnosen werden nach wichtigen Indikatoren wie Hauptdiagnosen, Alter, Geschlecht und Verweildauer dargestellt. Aufgrund geschlechts- und altersspezifischer Morbiditätshäufigkeiten werden die Ergebnisse teilweise standardisiert und so um den demografischen Effekt bereinigt. Dadurch sind bevölkerungsunabhängige Aussagen möglich.

Fallpauschalenbezogene Krankenhausstatistik: Diagnosen und Prozeduren der Krankenhauspatienten auf Basis der Daten nach § 21 Krankenhausentgeltgesetz

Jutta Spindler

Mit den DRG-Daten nach Paragraph 21 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) steht den Nutzerinnen und Nutzern im Rahmen des Angebots des Statistischen Bundesamtes seit dem Jahr 2005 neben den Grund- und Kostendaten und den Diagnosedaten der Krankenhäuser eine weitere wichtige Datenquelle zur Verfügung. Gegenstand dieses Beitrags sind zentrale Ergebnisse zur stationären Versorgung des Jahres 2010, die das Informationsspektrum der herkömmlichen amtlichen Krankenhausstatistik ergänzen und erweitern. Im Vordergrund stehen die Art und Häufigkeit durchgeführter Operationen und medizinischer Prozeduren sowie die Darstellung wichtiger Hauptdiagnosen, ergänzt um ihre jeweiligen Nebendiagnosen auch unter fachabteilungsspezifischen Gesichtspunkten der vollstationär behandelten Krankenhauspatientinnen und -patienten. Ausgewählte Ergebnisse zum erbrachten Leistungsspektrum der Krankenhäuser, insbesondere zur Art und zum Umfang der abgerechneten Fallpauschalen (DRGs), den Hauptdiagnosegruppen (MDCs) sowie zum Casemix (CM) und Casemix-Index (CMI) werden in diesem Beitrag ebenfalls dargestellt.

Teil V Krankenhaus-Directory

Krankenhaus-Directory 2011: DRG-Krankenhäuser im dritten Jahr nach der Budgetkonvergenz

WIdO

Im diesjährigen Directory deutscher Krankenhäuser gehen neben Eckdaten aus den Budgetvereinbarungen auch Informationen zu QSR-Behandlungsergebnissen aus den Jahren 2008–2010 für AOK-Versicherte in den vier Leistungsbereichen „Einsatz eines künstlichen Hüftgelenks bei Coxarthrose“ (Hüft-EP), „Einsetzen einer Endoprothese oder osteosynthetische Versorgung nach einem hüftgelenknahen Oberschenkelbruch“, „Einsatz eines künstlichen Kniegelenks bei Gonarthrose“ (Knie-TEP) sowie „Gallenblasenentfernung bei Gallensteinen“ ein. Insgesamt finden 1.581 Krankenhäuser Eingang.